Kirche des Monats April 2007 – Sankt Jodocus in Börger
von Dr. Johannes Müller

Alexander Joseph Niehaus, herzoglich-arenbergischer Bauinspector von 1834 bis 1864, hat zahlreiche bedeutende Bauten im Emsland geschaffen: den Ludmillenhof in Sögel, Haus Nienhaus in Aschendorf, zahlreiche Kirchen von der kleinen Dorfkirche in Gehlenberg bis zu den großen Kirchen in Werlte und St. Bonifatius in Lingen. Alle diese Bauten sind dem Klassizismus zuzurechnen, einer Stilrichtung, die auf die Formensprache der Antike zurückgreift und die Niehaus meisterhaft beherrschte. Sein letztes Werk, St. Jodocus in Börger, fällt aus diesem stilistischen Rahmen und ist im gotischen Stil errichtet. Vermutlich sah sich der Meister des Klassizismus von seinem Dienstherrn Prosper von Arenberg zu dem neuen Stil gedrängt. Prosper gehörte nämlich zu den tatkräftigen Förderern des Kölner Dombaus, ein Vorhaben, das um 1850 eine nationale Welle der Begeisterung auslöste und zur Wiederentdeckung der mittelalterlichen Gotik führte. Vielleicht gegen seinen Willen schuf Niehaus mit der 1858 fertig gestellten St. Jodocus Kirche den ersten neugotischen Bau im Emsland und setzte damit Maßstäbe für zahlreiche spätere Kirchenbauten dieses Stils in unserer Region.

Wie viele andere Kirchen musste sich auch St. Jodocus in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Modernisierungen gefallen lassen. Die Seitenaltäre wurden entfernt, die dekorative Ausmalung musste einem Anstrich in schlichtem Grauton weichen. Der Hochaltar blieb dank der Hartnäckigkeit der Gemeinde erhalten. Wenn wir ihn heute betrachten, sehen wir ihn als unverzichtbaren Bestandteil der Raumkomposition und können uns nur schwer vorstellen, dass er seinerzeit zur Disposition stand. Dass Modernisierung einer historischen Kirche auch zum Vorteil gereichen kann, beweisen die neuen Fenster in St. Jodocus aus den Jahren 2003 und 2004: Besonders bei Sonnenschein geben sie dem Kirchraum mit ihren Farben Leben und Ruhe zugleich. Und beim genaueren Betrachten erzählen sie Etappen der Heilsgeschichte: Kain und Abel, die Arche Noah, Abraham und Sara, die Geburt Christi und das Pfingstereignis sind einige Themen der insgesamt 14 Fenster. Wer je die großartigen Kirchenfenster von Marc Chagall in Mainz oder Jerusalem hat bewundern dürfen, wird sich in St. Jodocus daran erinnert fühlen.

I. Die Geschichte der Kirchengemeinde Börger
von Ulrich Hunfeld vorgetragen

Hünen- und Hügelgräber in Dorf und Gemarkung bezeugen, dass bereits in vorchristlicher Zeit Menschen in Börger sesshaft wurden. Die Spuren des Christentums in unserem Raum gehen zurück bis ins 8. Jahrhundert. Als der Hümmling unter Kaiser Karl dem Großen dem fränkischen Reich eingefügt wurde, wurde der christliche Glaube nach und nach Teil des Lebens und der Gesellschaft. Der Hümmling gehörte zur Missionszelle Meppen und unterstand dem Kloster Corvey im Weserbergland. Der Künstler Tobias Kammerer hat die Missionierung der Heimat als wichtiges geschichtliches Ereignis für unsere Gemeinde im zweiten Schiff-Fenster der Südseite unserer Kirche dargestellt. Über tausend Jahre Kirchengeschichte in Börger lassen sich nicht in wenigen Minuten erschöpfend behandeln. Ich möchte daher nur zwei Gesichtspunkte herausgreifen, die direkten Bezug haben zum aktuellen Gemeindeleben.

Dabei geht es zunächst um organisatorische Rahmenbedingungen: Die Kirchengemeinde Sankt Jodocus Börger bildet seit dem 01. Januar dieses Jahres mit den Kirchengemeinden St. Josef Börgerwald und St. Johannes Börgermoor einen Gemeindeverbund. In den nächsten Jahren soll Herz-Jesu Neubörger ebenfalls dem Verbund beitreten. Damit hat für den seit gut 15 Jahren bestehenden Seelsorgebezirk Barbara ein neuer Abschnitt der Zusammenarbeit begonnen. Ein Blick in die Geschichte der Kirchengemeinde Börger zeigt, dass es auch in der Vergangenheit immer wieder Abschnitte großer Selbständigkeit und Abschnitte enger Anbindungen gegeben hat.

Um 1150 wird Börger als Gemeinde, die zur Urpfarrei Sögel gehört, erstmals im Corveyer Heberegister erwähnt. Im 15. Jahrhundert wird erstmals von einer Kapelle in Börger berichtet, die auf dem jetzigen Friedhof am Platz der heutigen Klause stand und wohl schon damals St. Jodocus geweiht war. 1573 – Börger war damals lutherisch- verkaufte der Pfarrer von Sögel die Pfarrrechte über Börger an die hiesige Bauernschaft, ohne dass es zu einer vollständigen Selbständigkeit kam. Da Börger keinen eigenen Pfarrer unterhalten konnte, wurde es weiterhin von den Sögeler Pfarrern mitverwaltet. Der erste eigene Pfarrer in Börger wird 1652 beschrieben. Doch auch in den folgenden zweihundert Jahren blieb die Verbindung zur Urpfarrei in Sögel bestehen. Dabei gab es wechselnde Phasen, in denen die Börgeraner Wert auf ihr Recht zur Teilnahme an den Sögeler Gottesdiensten legten, und Zeiten, in denen die damit verbundenen Verpflichtungen in erster Linie als Last angesehen wurden. Die Pflicht Börgers, zur Unterhaltung der kirchlichen Gebäude in Sögel beizutragen, aber auch das Recht an eigenen Kirchenbänken in Sögel, wurden erst mit einem Vergleich im Jahre 1862 durch Zahlung einer Ablösesumme aufgehoben. Zu dieser Zeit waren in der Gemarkung Börger bereits die Siedlungen in Neubörger und Breddenberg entstanden, die zunächst zur Pfarrei Börger gehörten. Nach der Markenteilung 1878 folgten weitere Siedlungen in Börgerwald und Börgermoor, die ebenfalls zur Pfarre in Börger gehörten. 1885 begann man in Neubörger mit dem Bau eines eigenen Gotteshauses. 1911 wurde die Kuratie Neubörger offiziell von Börger abgepfarrt. 1915 folgte die Kapellengemeinde Börgerwald, damals noch mit Börgermoor zusammen. Mit dem Bau der St. Michael Kirche im Jahre 1924 begann die Verselbständigung der Ortschaft Breddenberg, die 1957 zur offiziellen Abpfarrung von Börger und Esterwegen führte.

Nach einer langen Periode großer Selbständigkeit, in der der Grundsatz galt, dass jede Gemeinde eine eigene Kirche und einen eigenen Pfarrer haben sollte, hat St. Jodocus Börger bis zum vergangenen Jahr mit St. Franziskus Werpeloh rund sieben Jahre gute Erfahrungen im Gemeindeverbund gemacht. Diese Entwicklung macht deutlich, dass auch in früheren Jahrhunderten die organisatorischen Rahmenbedingungen der Kirchengemeinde immer wieder der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung angepasst wurden. Nach den organisatorischen Entwicklungen, möchte ich eine der wesentlichen Aufgaben christlicher Gemeindearbeit ansprechen, nämlich die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen. Tobias Kammerer hat auf dem ersten Schiff-Fenster an der Südseite unserer Kirche die Mahlfeier der Urkirche als Modell für christliches Gemeindeleben dargestellt. Aus der Gemeinschaft mit Gott erwächst die Gemeinschaft und Verantwortung der Gemeindemitglieder mit- und füreinander. Schon im 18. Jahrhundert ist für die Kirche in Börger belegt, dass sie für die Unterstützung der Armen den Zinsertrag eines Kapitals von rund 350 Reichstalern benutzte, das von zwei Armenvorstehern verwaltet wurde. Dieses Kapital wurde – in einer Zeit ohne Banken und Sparkassen – an bedürftige Privatpersonen verliehen. Der Zinssatz betrug zwischen 3 und 5 Prozent. Eine Tilgung wurde nie festgesetzt, sondern erfolgte je nach Möglichkeiten des Schuldners. Oft erfolgte sie überhaupt nicht, so dass Laufzeiten über Generationen hinweg keine Seltenheit waren.

Im Jahre 1911 war es die Kirchengemeinde, die sich mit dem Bau eines ersten Krankenhauses der Tuberkulosekranken annahm. Mit dem Neubau des Jahres 1928 wurde es zu einem Allgemeinkrankenhaus ausgebaut. Die Franziskanerinnen aus Thuine übernahmen die Pflege sowohl im Krankenhaus als auch in häuslicher Umgebung der Kranken. Nach der Schließung des Krankenhauses im Jahre 1975 wurde eine ambulante Schwesternstation eingerichtet, die nach dem Wegzug der letzten Ordensschwestern im Jahre 1991 der Caritas-Sozialstation Hümmling angegliedert wurde. Ebenfalls im Jahre 1975 begann der Caritasverband der Diözese Osnabrück in Börger die Arbeit für und mit geistig und körperlich behinderten Menschen, die heute mit den Werkstätten für Behinderte, den Wohngruppen und dem heilpädagogischen Kindergarten prägende Elemente der Gemeinde sind. Das ehemalige Krankenhaus wurde 1994 dem gemeinnützigen St. Josef Stift übertragen, in dessen Beirat die Kirchengemeinde St. Jodocus weiter dafür Sorge trägt, das auch künftig Unterstützung für Alte, Kranke und andere Hilfsbedürftige in der Gemeinde ermöglicht wird. Seit einigen Jahren engagiert sich die Kirchengemeinde auch bei der Hümmlinger-Agapetafel, die für besonders Bedürftige Nahrungsmittel bereitstellt.

Das Wirken der Kirchengemeinde St. Jodocus Börger beschränkt sich jedoch nicht nur auf ihre eigenen Mitglieder. In den letzten 100 Jahren versahen 32 Priester und Ordensleute, die aus der St. Jodocus Gemeinde Börger stammten, ihren geistlichen oder sozialen Dienst und wirkten dabei über die Gemeinde und das Bistum Osnabrück hinaus in vielen Bundesländern, den Niederlanden, England, Frankreich, Österreich, Italien, aber auch in Kanada, den USA und in der Südsee. Auf der anderen Seite sind durch Kontakte zu Priestern, Ordensleuten und kirchlichen Organisationen aus anderen Gegenden unterschiedlichste Hilfsprojekte von Gemeindemitgliedern entstanden, z.B. in Osteuropa in Polen, Litauen und Weißrußland, in Indien und auf der Insel Nias in Indonesien oder im afrikanischen Uganda.

Alle nach Börger führenden Landstraßen laufen an der weithin sichtbaren St. Jodocus Kirche zusammen, gewissermaßen als Symbol für die Ausrichtung der Gemeinde auf ihre Kirche. Die genannten Beispiele zeigen aber auch, dass das Wirken der Gemeinde ebenso lange von hier in alle Himmelrichtungen über den Horizont des Bauwerks hinaus geht.

II. Die Baugeschichte der St. Jodocuskirche
von Manfred Klaas vorgetragen

In den fünfzig Jahren von 1800 bis 1850 hat sich die Einwohnerzahl unseres Ortes von 800 auf 1500 nahezu verdoppelt, so dass Mitte des Jahrhunderts die Einsicht wuchs, dass Ergänzungen an der alten Kapelle nicht mehr ausreichten und eine neue Kirche gebaut werden sollte. Die heutige Kirche wurde 1856 bis 1858 unter Pfarrer Bernhard Lindern erbaut, so dass wir im kommenden Jahr 150jähriges Kirchweihjubiläum feiern können.

Die St. Jodocus Kirche nimmt im ländlichen Sakralbau des nördlichen Emslands eine Sonderstellung ein. Sie markiert den Wendepunkt zwischen Klassizismus und Historismus und ist das früheste Beispiel für die Hinwendung zur Neugotik. Für diesen Wechsel der Baustile steht auch das Lebenswerk des emsländischen Architekten Alexander Josef Niehaus, der sich auf einer Platte in der Außenmauer des Chores als Architekt der St. Jodocus Kirche verewigt hat. Niehaus war herzoglich-arenbergischer Bauinspektor und hatte sich mit vielen klassizistischen Bauwerken, z.B. dem Ludmillenhof in Sögel und der Kirche in Werlte, einen Namen gemacht. Die Entwürfe von Niehaus fanden für einen Dorfkirchbau außergewöhnliche Beachtung: Das zuständige Generalvikariat und Baukonsistorium in Osnabrück bat zusätzlich den Bischof von Münster, Johann Georg Müller, um eine Stellungnahme, der wiederum riet, die Pläne vom Kölner Dombaumeister Statz begutachten zu lassen. So kam es, dass die Pläne sowohl von einem der bedeutendsten Bischöfe der Zeit als auch von den Baumeistern des Kölner Domes, der zu dieser Zeit seiner Vollendung entgegen ging, geprüft wurden. Das Ergebnis war ein fünfjochiger Gewölbebau in gotischem Stil. Ein solcher Bau war ungleich teurer als die bisher üblichen flachgedeckten Saal-bauten. Welche Anstrengungen dies für die Gemeinde bedeutete, mag folgende Überlieferung belegen: Die Kirchengemeinde beschloss in einer bestehenden Ziegelei im Börger Wald 1 ½ Millionen Ziegel selbst zu brennen und unentgeltlich zur Baustelle zu schaffen. Diese reichten dann jedoch nicht wie zunächst angenommen für den ganzen Bau, sondern nur für die Fundamente.

Der 55 mal 21 Meter große Baukörper ist bis heute in seiner ursprünglichen Architektur unverändert. So ist das in St. Jodocus beabsichtigte Raumgefühl erhalten geblieben. Dieses wird zum einen bestimmt durch das gotische Streben nach Höhe und Himmelsnähe. Andererseits sorgt die quergerichtete Betonung der Joche durch Einbindung der Seitenräume zwischen den Wandpfeilern für einen Ausgleich zwischen vertikalen und horizontalen Richtungen und somit für eine wohltuende Harmonie des gesamten Innenraumes. Auch wenn den meisten Gemeindemitgliedern die zugrunde liegende klassische Harmonielehre des Architekten Niehaus wohl nicht bekannt ist, so haben sie das harmonische Raumgefühl doch immer zu schätzen gewusst und sich bei den verschiedenen Renovierungsphasen erfolgreich gegen eine Änderung der Grundstruktur gewehrt.

Anders verhielt es sich bei der Innengestaltung, die zwischenzeitlich erheblichen Veränderungen unterlag. Ich möchte daher die ursprüngliche Ausgestaltung und den Weg zum heutigen Erscheinungsbild kurz vorstellen. Der Chorraum war dem damaligen liturgischen Verständnis entsprechend mit einer Kommunionbank vom Schiff abgetrennt. Seitlich neben den Türen des Chorraumes befand sich jeweils ein Chorstuhl; darüber jeweils ein großes Wandgemälde. Die Glasfenster im Chor zeigten rechts und links vom Hochaltar den Heiligen Bonifatius und Karl den Großen sowie seitlich Maria und Josef, gefertigt vom Münsteraner Glasmaler Hagemann. Die übrige Verglasung hatte die Meppener Glaserei Meyering übernommen. Vorne im Schiff befanden sich zwei Seitenaltäre mit den lebensgroßen Figuren der Gottesmutter und des Hl. Josef. An den Pfeilern vor dem Chorraum waren Figuren des Hl. Aloisius und eine Herz-Jesu-Figur angebracht. Am ersten Pfeiler auf der Südseite befand sich die Kanzel mit der Figur des Hl. Michael. Zwei mächtige Kronleuchter erhellten das Kirchenschiff. Die Orgel begleitete am 10. Mai 1861 erstmals eine Heilige Messe in Börger.

Die Kirche blieb nach ihrer Fertigstellung rund 90 Jahre ohne wesentliche Veränderungen, bis in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges unmittelbar neben der Kirche eine Bombe niederging und die Verglasungen nahezu vollständig zerstörte. Da in der unmittelbaren Nachkriegszeit an eine Neuverglasung nicht zu denken war, stellte das Bistum die eingelagerten Fenster der ehemaligen Wahner Kirche zur Verfügung, die 1942 im Zuge der Erweiterung des Kruppschen Schießplatzes abgebrochen werden musste. Da die Fenster zu klein waren, nagelte man den Rest mit Brettern zu. Die beiden Chorfenster neben dem Hochaltar wurden zugemauert. Später wurden die Bretter durch angemaltes Fensterglas ersetzt.

Als nach dem 2. Vatikanischen Konzil die Kirche umfassend erneuert wurde, wurden dem Zeitgeist folgend die beschädigten Fenster nicht restauriert, sondern heraus gebrochen und durch eine gegenstandslose, überwiegend graue Verglasung ersetzt. Kanzel, Seitenaltäre, Kommunionbank, Chorgestühl und die Heiligen-Figuren an den Pfeilern wurden entfernt. Fußboden, Heizungsanlage und Bestuhlung wurden vollständig erneuert. Schließlich wurde die alte Ausmalung mit schlichten weißen und grauen Farbtönen übermalt. Lediglich Orgel, Taufstein und Hochaltar blieben erhalten.

Es mag Menschen geben, die sich ein schlichtes Gotteshaus mit einer Beschränkung auf das Wesentliche wünschen und alles andere als Ablenkung sehen. Die große Mehrheit der Börgeraner konnte sich mit dem Ergebnis dieser Erneuerungen nicht anfreunden. Daher kann es nicht verwundern, dass man sich schon gut zwanzig Jahre später zu einer weiteren umfassenden Renovierung entschloss. Diese fand in den zehn Jahren von 1995 bis 2004 statt. Begonnen wurde mit der Erneuerung der Außenanlagen einschließlich der Kirchhofsmauer. Es folgte die Sanierung des Daches und des Turmes und abschließend die Innensanierung einschließlich der Wiederöffnung der 1945 zugemauerten Chorfenster. Auch ein Kronleuchter und die Figur des Heiligen Aloysius und die Herz-Jesu-Statue kehrten, wenngleich an neuen Plätzen in die Kirche zurück. Die Gesamtkosten betrugen rund 1,8 Millionen Euro. Hiervon brachte die Gemeinde, ohne Kredite in Anspruch zu nehmen, rund eine Millionen Euro auf. Während der gesamten Renovierungsphase wurde über viele Einzelheiten intensiv und leidenschaftlich diskutiert. Vehement wehrten sich die Gemeindemitglieder gegen Überlegungen die neugotische Raumstruktur aufzuheben, in dem der Altar in die Mitte der Kirche rückte. Nicht alle Wünsche konnten berücksichtigt werden, dennoch hat das Gesamtergebnis breite Zustimmung gefunden.

Wie bereits bei dem beeindruckenden Neubau vor 150 Jahren, haben die Gemeindemitglieder auch bei dieser Renovierung bewiesen, dass ihnen ein würdiges Gotteshaus wichtig ist. Ohne die Neuerungen des 2. Vatikanischen Konzils in Frage zu stellen, haben sich die Gemeindemitglieder in die Tradition der Baukunst Josef Alexander Niehaus gestellt, der bereits vor 150 Jahren klassizistische Grundgedanken und damals moderne neugotische Ausrichtung zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügte und mit diesen Plänen Fachleute und Gemeinde gleichermaßen beeindruckte. So präsentiert sich nach unserer Überzeugung die St. Jodocus Kirche im Jubiläumsjahr nicht als museales Bauwerk, sondern Traditionelles und Neues verbindend als lebendiger Mittelpunkt der Gemeinde.

III. Einrichtung der Kirche Kirchenpatron St. Jodocus
von Pfarrer Karl-Heinz Santel

Ältester Sakralgegenstand ist wohl der Taufstein hinten in der Kirche, der schon in der früheren Kirche (d. i. auf dem heutigen Friedhof) stand. Er stammt aus dem 16. Jahrhundert. 1573 wurde Börger selbständige Pfarrei mit eigenem Taufrecht. Der 95 cm hohe Taufstein hat eine Kelch- oder Pokalform. Der achteckige Fuß mündet in einen achteckigen Hals, der wiederum eine abgerundete achteckige Schale trägt. Die Orgel der Kirche mit 24 Registern wurde am 10. Mai 1861 von der Firma Kröger & Söhne in Goldenstedt fertiggestellt. 1984 wurde sie von der Fa. Stockmann aus Werl überholt. Nachdem die Glocken der Kirche mussten im 1. Weltkrieg und die neu angeschafften dann wieder im 2. Weltkrieg abgeliefert werden für Kriegszwecke goss 1949 die Fa. Otto aus Bremen - Hemelingen neue Glocken für St. Jodocus Börger.

In Zusammenhang mit der letzten Renovierung wurde der Künstler Heinrich Schreiber aus dem fränkischen Kronach beauftragt, Altar, Ambo, Weihwasserbecken, Gabentisch und die jetzt als Ausstellungsort für das Wort Gottes benutzte Stele zu schaffen. Der Altar aus Sandstein zeigt auf der Vorderseite das Motiv der Emmausgeschichte. Jesus bricht mit den beiden Jüngern, die er auf dem Weg nach Emmaus getroffen hatte und denen er die Schrift ausgelegt hatte, das Brot. Dabei erkannten die Jünger ihn als den Auferstandenen. In den Altar wurden bei Weihe durch Weihbischof Theodor Kettmann Reliquien den Heiligen Papstes Gregor des Großen eingelassen. Sie befinden sich auf der Rückseite unter der Inschrift: „Zeugen des Glaubens“. Reliquien werden in jeden konsekrierten Altar eingelassen. Seit frühen Zeit feiern die Christen die Eucharistie über den Gräbern der Heiligen, zunächst der Martyrer. Damit wird auch die Verbindung der Kirche des Himmels mit der Kirche auf Erden, d.h. dem versammelten Gottesvolk symbolisiert. Auf dem Ambo, der ebenso wie die der Altar und die anderen von Schreiber geschaffenen Kunstwerke aus Sandstein gefertigt wurde, kann man die Pfingstszene, die Sendung des Heiligen Geistes erkennen.

Die Figuren des Heiligen Josef und der Mutter Gottes wurden bei der Renovierung Ende der sechziger / Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts anstelle der abgebrochenen Seitenaltäre erworben und angebracht. Leider sind die Seitenaltäre verloren gegangen. Der Hochaltar, der heute ein unverzichtbarer Teil des Raumes ist, stand ebenfalls zur Disposition. Aber der damalige Pfarrer (und wohl auch Gemeindemitglieder) haben sich gegen eine Entfernung gewehrt. Geschaffen wurde er von der bekannten Werkstatt Evertz in Münster. Im Altar sieht man über dem Tabernakel die Christusgestalt, auf der linken Seite die Figur des Heiligen Petrus und auf der rechten Seite die des Heiligen Paulus. Oben im Hochaltar ist der Kirchenpatron, der Heilige Jodocus dargestellt.

Mit einer kurzen Biographie des Heiligen möchte ich die Ausführungen zu Sakral-gegenständen in der Kirche, von denen es bei genauerem Betrachten noch einige mehr gibt, schließen.Gibt man ins Internet den Namen St. Jodocus ein, wundert man sich, wie viele Informationen es zu diesem Heiligen gibt, wie viele Kirchen seinen Namen tragen, der identisch ist mit dem Namen St. Jost.
Jodocus lebte im 7. Jahrhundert im Norden Frankreichs: geboren um oder vor 600 in der Bretagne, lebte er in der Picardie und starb um 670. Jodok wird dargestellt entweder als Einsiedler - zuweilen mit der Bibel in der Hand -, oder als Pilger. Vom Pilgerpatron Jakobus unterscheidet ihn die Krone zu seinen Füßen als Zeichen dafür, dass er auf weltliche Herrschaft und fürstlichen Wohlstand verzichtet hat. Jodok ist seit dem Mittelalter ein hochgeschätzter Patron der Pilger, weil er gegen Ende seines Lebens nach Rom gepilgert sein soll.

Nach Deutschland gelangte seine Verehrung vor allem über die Gebetsgemeinschaft unter den Benediktinerklöstern (Prüm/Eifel, St. Maximin//Trier und Walberberg) und entlang der Pilgerstraßen. Als sein Bruder sein Amt als König der Bretagne niederlegt und sich ins Kloster zurückzieht, wäre nun Jodocus die Königswürde zufallen. Überrascht erbittet Jodok sich acht Tage Bedenkzeit und zieht sich dazu ins Kloster seiner Schulzeit zurück. Er entscheidet sich nicht für den Hof mit dem schönen Leben, aber auch mit den Spannungen und Intrigen, sondern für ein Leben, in dem er Gott näher kommt. Noch hat er keine Vorstellung, wie er das verwirklichen soll. Er schließ sich einer Wallfahrergruppe nach Rom an. Auf seiner Wanderung kommt er in das Gebiet Haymos, des Herzogs von Ponthieu. Dieser wird auf den jungen gebildeten Prinzen aufmerksam und überredet ihn, an seinem Hof zu bleiben. In der Obhut des großzügigen Gönners studiert Jodocus weiter, wird zum Priester geweiht und dient ihm als Hofkaplan. Nach sieben Jahren wird Jodok klar, dass er noch nicht das Leben gefunden hat, das er gesucht hatte. Wieder war er "bei Hofe" gelandet, dem er sich eigentlich hatte entziehen wollen. Herzog Haymo hat Verständnis für Jodoks Anliegen. Er schenkt ihm nicht nur seine Unabhängigkeit, sondern sucht im Laufe der nächsten Jahrzehnte sogar dreimal für Jodok einen Platz, wo er sich als Einsiedler niederlassen kann. Schließlich findet er einen Platz, an der er bis zu seinem Lebensende bleiben und später die Abtei Saint-Josse-sur-Mer entstehen sollte. Neben seiner Zelle erbaut Jodok zwei kleine Holzkapellen, eine dem heiligen Petrus, die andere dem heiligen Paulus geweiht. Das könnte darauf hin deuten, dass er in seinem Herzen sein erstes Reiseziel "Rom" noch nicht vergessen hatte.

Und Jodok holt wirklich nach, was er als junger Mann abgebrochen hatte. Er macht sich nun auf den Weg nach Rom. Leider haben wir über diese Pilgerfahrt nur legendenhafte Berichte. Es war aber in dieser Zeit nichts Ungewöhnliches, dass Einsiedler große Pilgerreisen, sogar bis in Heilige Land unternahmen. Als Jodok nach Monaten mit Reliquien beladen zurückkehrt, hat Haymo in der Zwischenzeit eine größere Kirche aus Stein gebaut, die nun dem heiligen Martin geweiht wird. Jodok lebt noch fünf Monate. Als er am 13. Dezember 669 (oder 668) stirbt, wird er im „Rufe der Heiligkeit“ in "seiner" Kirche begraben.

IV. Künstlerische Ausgestaltung der Kirche
von Dr. Johannes Müller

Das Erscheinungsbild im Inneren der St. Jodocus Kirche hat sich seit der letzten Renovierung grundlegend gewandelt. Mit der Ausmalung wurde der Dipl. Restaurator Dieter Berchem aus Essen-Borbeck beauftragt. Dieser legte zunächst einzelne Elemente mehrerer früherer Farbschichten frei. Auf dieser Grundlage wurden dann verschiedene Gestaltungsvarianten erwogen. Auf eine vollständige originalgetreue Restaurierung der ursprünglichen Ausmalung wurde verzichtet. Stattdessen wurde anstelle des vorherigen als kalt empfundenen weiß-grauen Grundtones ein warmer, heller Braunton als Grundanstrich gewählt, der zu den typischen gotischen Grundfarben gehört. Dieser wurde mit Ornamenten früherer Gestaltungen angereichert. Hierbei beschränkte man sich im Schiff auf die Andeutung von Mauerwerk im unteren Teil und zur Einfassung der Fenster. Daneben finden sich stilisierte Blumenelemente, die in der ursprünglichen Ausmalung noch wesentlich reichhaltiger verwendet wurden.

Die funktionellen Strukturen wie Pfeiler und Streben wurden farblich herausgehoben, ohne die braune Grundrichtung zu verlassen. Auch dies ist ein typisches Stilelement gotischer Raumgestaltung. Besonderes Augenmerk wurde auf den Chorraum gelegt. Hier wurden goldbesetzte Ornamente zu einer teppichartigen Ausmalung des unteren Wandbereiches zusammengefügt. Die Besonderheit dieses Kirchenteiles wird durch die in Gold aufgetragene lateinische Inschrift über dem Ornament erläutert: O sacrum convivium (in quo Christus sumitur, recolitur memoria passionis, eius mens impletur, gratia et futurae gloriae nobis pignus datur), die übersetzt bedeutet: „O heiliges Gastmahl, in dem Christus gegenwärtig wird, die Erinnerung seines Leidens gepflegt wird, sein Gedächtnis vollbracht wird und uns die Gunst und das Unterpfand künftigen Lobpreises gegeben wird.“

Über dem Hochaltar wurden im Stile der Entstehungszeit der Kirche zwei Engel abgebildet mit dem Ruf „Venite ad oremus“ – „Kommt lasset uns anbeten“ aus der weihnachtlichen Verkündigung. In der ursprünglichen Ausmalung schmückten zwei weitere große Wand-gemälde über den Chorstühlen den Altarraum.

Die jetzige Ausmalung macht die asketische Wandmalung der vorherigen Renovierung rückgängig und nimmt wieder wesentliche Elemente des neugotischen Originals auf, bleibt dabei jedoch hinter der Reichhaltigkeit zurück. Eine ruhige, warme Ausmalung unterstreicht ein anderes charakteristisches Merkmal gotischer Kirchen, nämlich die Öffnung der Wände mit großen Fenstern, nicht um Licht hereinzulassen, sondern um eine heilige Welt auszubreiten, die sich mit Legende und Geschichte vermischte und die Gläubigen zugleich belehren und erbauen sollte. In mittelalterlichen Kathedralen wurde so der Eindruck eines himmlischen Jerusalems aufgebaut. Diesem Anspruch konnten die nach dem 2. Vatikanischen Konzil in St. Jodocus Börger eingebauten Fenster nicht gerecht werden. Daher entschloss sich die Kirchengemeinde Mitte der neunziger Jahre zu einem Künstlerwettbewerb, der zu Lösungsvorschlägen führte, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Den Zuschlag erhielt dann der damals erst dreißigjährige Maler und Bildhauer Tobias Kammerer aus Rottweil am Inn, der an der Akademie der Bildenden Künste in Wien studiert hatte. Tobias Kammerer sagt von sich selbst, dass Malerei für ihn die Möglichkeit ist, etwas zu erklären, was er nicht weiß, aber fühlt. Auf seiner Internetseite schreibt er: „In Zusammenarbeit mit Architekten, ... und Handwerkern bin ich bereit neue Wege zu gehen, solange es nur vorwärts ist; vorwärts in meinem Bestreben, Harmonie und Fortschritt zu vereinen und dabei etwas zu schaffen, das die Kraft hat, verstanden zu werden.“ In Börger gehörte hierzu über die gesamten fünf Jahre der Entstehung der Fenster auch ein intensiver Dialog mit den Gemeindevertretern. Anders als die großen figürlichen Darstellungen des Historismus erschließen sich die Fenster von Tobias Kammerer nicht auf den ersten Blick. Ich möchte Ihnen daher einige Hilfestellungen zum Verständnis geben und an einem Beispiel erläutern.

Nur sehr selten, erhält ein Künstler heute die Möglichkeit, die Fenster einer ganzen Kirche neu zu gestalten. Tobias Kammerer hat hierin eine besondere Herausforderung gesehen. Wichtiger als alle Detailinterpretationen ist es zunächst, die Fenster als Gesamtkunstwerk zu sehen, die in ihrer Farbigkeit und Lebendigkeit die Atmosphäre des Gotteshauses bestimmen wollen. Damit steht Kammerer durchaus in gotischer Tradition. Es geht also vor allem anderen darum, etwas zu fühlen, nicht etwas zu wissen. Wer sich so fragend und in meditativer Haltung den Glasmalereien nähert, hat den Künstler auch dann verstanden, wenn er zum Beispiel im Motiv der Segnung Abrams durch Melchisedeck die Rückkehr des verlorenen Sohnes zu erkennen glaubt.

Wer sich die Fenster verstandesmäßig erschließen will, sollte jedoch das Gesamtkonzept kennen. Man kann die umfangreichen Erzählungen der Glasmalereien wie ein Buch lesen, wobei jedes Fenster wie eine Buchseite von oben nach unten zu lesen ist. Jeweils oben im Maßwerk ist die Seite durch eine entsprechende Symbolik mit einer Überschrift versehen. Das erste Kapitel dieses Buches bildet die Nordseite des Schiffes. Dort werden fünf Abschnitte aus dem Buch Genesis des Alten Testamentes dargestellt, chronologisch hinten beginnend und nach vorne weitergeführt. Im Chorraum folgen dann die Darstellungen des Neuen Testamentes, so angeordnet, dass die zentralen Ereignisse der christlichen Verkündigung Menschwerdung, Tod und Auferstehung Jesu von jedem Platz in der Kirche sichtbar rechts und links vom Hochaltar dargestellt sind. An der südlichen Seite folgt dann von vorne nach hinten die Geschichte der Kirche von der Urkirche bis heute und darüber hinaus bis ins Jenseits. Ein Schelm wer Absicht darin vermutet, dass das himmlische Jenseits ganz hinten bei den Menschen unter dem Orgelboden zu suchen ist. Betrachten wir nun passend zum aktuellen Abschnitt des Kirchenjahres das Fenster rechts vom Hochaltar etwas näher, das die Ereignisse der österlichen Zeit darstellt. Auch ohne diese Vorkenntnis erkennt der suchende Betrachter in der oberen Bildmitte in düsteren Farben das Kreuz und bei näherem Hinsehen daran auch den Gekreuzigten. Die Szene wird von einer violetten, mystischen Finsternis umgeben. Violett kennen wir als Farbe der Buße. Man ahnt, dass Menschen unter dem Kreuz stehen und erkennt im Hintergrund zwei weitere Kreuze; darüber zwei Segmente in dramatischem Rot: vielleicht als Symbol für das Blut Jesu, vergossen für unsere Sünden - oder nach dem Lukas Evangelium: Über das ganze Land brach Finsternis herein und der Vorhang des Tempels riss mitten durch. Richtet man den Blick weiter nach oben zum Maßwerk steigt aus dem dramatischen Rot links in sanfterem Rot ein Kreuz auf: Symbol für die Liebe Jesu; rechts daneben in dem hellen Feld ist eine Taube angedeutet als Symbol für den Heiligen Geist und darüber im sogenannten Vierpass ein blaues Kreuz – blau wie der Himmel – Gott Vater im Himmel. Aus der Finsternis der Bildmitte führt so der Blick nach oben zum dreifaltigen Gott. Aber auch die dunkle Kreuzigung in der Mitte ist mit einem grünen Kreis umgeben als Zeichen der Hoffnung. Liest man das Fenster nun weiter nach unten, findet man einen kurzen inhaltsleeren grauen Zwischenraum und dann eine leuchtend-gelbe, strahlende Szene, die schwer zu verstehen ist. Sie können darin Figuren suchen, oder auch das Grau nach der Dramatik des Karfreitags einfach als das Warten des Karsamstags verstehen und das Gelbe als das leuchtende Geheimnis des Ostermorgens. Vielleicht erkennen Sie einige Frauen auf dem Weg zum Grab oder den Flügelschlag der Engel. Können Sie den auferstandenen Jesus erkennen? Petrus fand ihn nicht und kehrte voller Staunen nach Hause zurück, wie Lukas schreibt.